Wahlfreiheit der Schwangeren - TV-Diskussion
Gemäss Bundesstatistik hat die Kaiserschnitt-Häufigkeit in der Schweiz von 23% im Jahr 1998 auf 29% im Jahr 2003 zugenommen. In Zürichsee-Gemeinden und in Privatspitälern beträgt die Häufigkeit gegen 40%. Tele Züri widmete diesem Thema die Sendung «Talk Täglich» vom 24. August 2005. Als damaliger Präsident der Zürcher Gynäkologen und Verfechter der Wahlfreiheit der Schwangeren stellte ich mich der Diskussion.
Wichtige Botschaften
- Die Zunahme der Kaiserschnitte hat vielschichtige Gründe, medizinische wie gesellschaftliche. Der reine "Lifestyle-Kaiserschnitt" auf Verlangen der Schwangeren ist nach meiner Erfahrung extrem selten; viel häufiger spielen mehrere Faktoren mit (grosses Kind, ältere Erstgebärende, Sicherheitsbedürfnis für das Kind, Sorge um Beckenboden, negative Erlebnisse im Umfeld). Angst vor Geburtsschmerzen kann selbstverständlich durch gute Aufklärung über moderne Schmerzlinderung zerstreut werden.
- Würde man in der Kostenstatistik zwischen Plan- und Notfallkaiserschnitten unterscheiden, wäre der Plankaiserschnitt kaum teurer als eine durchschnittliche natürliche Geburt. Es wäre klassische Zweiklassenmedizin, wenn Krankenkassen gewisse Wahl-Kaiserschnitte nicht mehr bezahlen würden.
- Im heutigen Schweizer Tarifsystem haben die Geburtshelfer keinen finanziellen Anreiz, vermehrt Kaiserschnitte durchzuführen.
- Die sorgfältig informierte Schwangere soll nach angemessener Bedenkzeit selbst über ihren Körper bestimmen und entscheiden, wie sie ihr Kind auf die Welt bringen will. Die Behauptung, Ärzte würden ihren Patientinnen Kaiserschnitte «aufschwatzen«, ist eine Beleidigung für die schwangeren Frauen. Diese lassen sich ihre Wahlfreiheit von niemandem nehmen, nicht von Ärzten/Ärztinnen, aber auch nicht von Hebammen und schon gar nicht von Krankenkassen-Funktionären. Die Schwangere ist für ihr Wertesystem selbst verantwortlich.
- Da natürliche Geburt und Plan-Kaiserschnitt medizinisch weitgehend gleichwertig sind, darf bei der heutigen Datenlage niemand verfügen, welches die «richtige» Häufigkeit von Kaiserschnitten ist. Mit staatlichen Aktionen zur Senkung der Kaiserschnitt-Rate hat man in den USA sehr schlechte Erfahrungen gemacht (die Komplikationsrate bei Neugeborenen stieg merklich an).