Worum geht es bei der Frau?
Die Einnistung des Embryos in der Gebärmutter ist ein Balanceakt zwischen Unterstützung und Abstossung, welche von der genetischen Veranlagung von Vater und Mutter abhängt. Entgegen früheren Vorstellungen sind die sogenannten Killerzellen in der Gebärmutter für die Einnistung nicht schädlich, sondern notwendig, sofern sie vom Embryo die richtigen Impulse erhalten. Bei der Frau ist die entsprechende Veranlagung in den — von Frau zu Frau stark variierenden — KIR-Genen auf dem langen Arm des Chromosoms 19 codiert (Bild unten links).
Lage der KIR-Gene auf dem Chromosom 19. |
Aktivierende Impulse (blau) bei KIR Gruppe B. |
Aktivierende KIR-Gene (grün), hemmende (rot). |
Die KIR-Gene werden in die Gruppen A und B eingeteilt (oben rechts). Besitzt eine Frau zwei Kopien von KIR-Genen der Gruppe A und somit keine der Gruppe B, so können ihre Killerzellen die aktivierenden Impulse der Gruppe B (blaue Kästchen 2DS2, 2DS3, 3DS1, 2DS5, 2DS1) nicht empfangen.
Worum geht es beim Mann?
Der männliche Partner gibt dem Embryo das der Gebärmutter «fremd» erscheinende Genmaterial mit. Hierbei spielt das väterliche HLA-C-Gewebeverträglichkeitsgen auf Chromosom 6 eine Schlüsselrolle.
Besitzt der Vater HLA-Gene der Gruppe C2, und hat die Mutter lediglich zwei hemmende KIR-Gene der Gruppe A (KIR-AA), so können die Killerzellen der Gebärmutter die entstehende Plazenta bekämpfen. Es kommt zur frühen Fehlgeburt oder zu einer Störung der Placentaentwicklung, die sich als mütterlicher Schwangerschafts-Bluthochdruck äussern kann.
Abklärung beider Partner
Es handelt sich um Bluttests (KIR- und HLA-Gene, Blutgerinnung, Auto-Antikörper, Test auf latenten Diabetes), die im Speziallabor nach Richtlinien von Frau Dr. Alecsandru erfolgen. Sobald die Ergebnisse vorliegen, findet eine Skype-Beratung durch eine Spezialistin von IVI Madrid statt, welche spezifische Fragen zur Vorgeschichte stellt, die Ergebnisse bewertet und ggf. Behandlungen (wie Aspirin, thrombosehemmende Injektionen, Cortisontabletten oder Wachstumsfaktoren) verordnet. Ein Teil der ausgedehnten Abklärung wird von der Krankenkasse übernommen, für das ausländische genetische Labor sowie für die Beratung entstehen Selbstkosten von etwa 1000 Franken, die aber mehr als aufgewogen werden, falls die anschliessende IVF dank Zusatzbehandlung endlich erfolgreich ist.
Immuntherapie bei mütterlichem KIR-AA und väterlichem HLA-C2
Die fehlenden aktivierenden Impulse an den mütterlichen Killerzellen können durch Injektionen eines sogenannten Wachstumsfaktors ersetzt werden. NEUPOGEN (Filgrastim, G-CSF) ist ein Wachstumsfaktor für blutbildende Zellen; er wird normalerweise bei Kindern mit Mangel an weissen Blutkörperchen sowie zur schnelleren Erholung der Blutbildung während Chemotherapien verwendet. Neupogen wird «off-label» zur Förderung der Einnistung bei Müttern mit KIR-AA Genkombination und väterlichem HLA-C2 verwendet; es ist eine natürliche Substanz, die sich nicht negativ auf das Kind auswirkt.
Diabetes, Gluten-Unverträglichkeit
Die Forschungsgruppe um Frau Dr. Alecsandru fand weitere hochinteressante Zusammenhänge heraus, so zwischen unentdecktem leichtem Diabetes sowie, ganz neu, unentdeckter Glutenunverträglichkeit und wiederkehrenden Fehlgeburten bzw. IVF-Fehlversuchen. Eine einfache Intervention wie glutenfreie Diät konnte in ausgewählten Fällen den Erfolg der nächsten Schwangerschaft verbessern!
Auswahl wichtiger Publikationen zum Thema
Februar 2020 / Dr. M. Singer